Nun sind sie eröffnet, die Tage der jüdischen Kultur und Geschichte Magdeburg 2024. Bis zum 12. Dezember ist in zahlreichen Veranstaltungen jüdisches Leben, jüdische Kunst und Kultur zu erleben.
Hier die Begrüßungsrede von Norbert Pohlmann:
Guten Abend, es ist mir eine Freude und Ehre, Sie heute Abend hier im Forum Gestaltung begrüßen und mit Ihnen zusammen zum 17. Mal die Tage der jüdischen Kultur und Geschichte in Magdeburg eröffnen zu können.
Dachten wir noch vor Jahren, dass unsere gemeinsamen Tage der jüdischen Kultur dazu führen würden, sie nicht mehr so explizit veranstalten zu müssen, weil jüdische Kultur ganz organisch Alltagskultur hier in Magdeburg und auch anderswo geworden sein würde, organisch und harmonisch, was nicht konfliktfrei bedeuten muss, aber doch einen kulturvollen Umgang mit Konflikten impliziert.
Zum 17. Mal: So langsam also streben wir die Volljährigkeit an und damit wohl auch ein Zuwachs an Verantwortung, die zu übernehmen mehr denn je notwendig ist in gegenwärtigen Zeitläuften, die, wie wir alle wissen und spüren, konfliktreicher geworden sind, dass die Antinomien im gesellschaftlichen Zusammenleben nicht nur lähmen, sondern aggressiver machen, dass Gut-Böse-Dichotomien an voraufklärerische Zeiten erinnern, dass humanistische Traditionen leider keinen Ewigkeitswert haben. Dass ein Schreien in der Luft liegt, das der freien Rede keine mehr bleibt, geschweige dem zärtlichen Flüstern.
Wir müssen aber die vielfachen Ambivalenzen, die uns gerade gegenwärtig an den Rand der Verzweiflung treiben, aushalten lernen, um mit ihnen umzugehen, sie nicht umgehen zu versuchen, in der Hoffnung, sie lösen sich von selbst. Lösungen aber, davon bin ich überzeugt, sind nicht ohne Kultur zu haben, Kultur kann und muss unser Tun und Handeln determinieren. Kultur ist alles. Ohne Kultur ist alles nichts. Außer Verwahrlosung, Verrohung.
Es ist, und zwar nicht nur aus historischer Perspektive, unerträglich, miterleben zu müssen, dass jüdisches Leben immer wieder Gefährdungen ausgesetzt ist, in unterschiedlichen Schattierungen bis hin zur physischen Existenz. Das will ich hier in aller Deutlichkeit und explizit sagen. Diese Gefährdungen dürfen wir nicht zulassen.
Ja aber, das gilt doch für alle gefährdeten Meschen, höre ich da sagen.
Ja, natürlich, und das ist doch auch kein Widerspruch.
Aber da ist es, das Aber. Das in Verruf geraten ist. Zu Recht, wenn damit Schuldzuweisungen als Kontextuierungen getarnt werden, um ggf. von eigener Schuld abzulenken.
Die Aber aber dürfen wir uns nicht wegnehmen lassen, sie bleiben wichtig für das Denken, das tiefergreifende Erfassen der Zustände, für kenntnisreiche Kontextuierungen.
Die Aber aber kosten Überlegungen, sind Ausgangspunkt für die Anteil Skepsis ím Erkenntnisprozess, der uns schützt vor den einfachen Wahrheiten, die vielerorts verkauft werden, um uns zu verkaufen.
Kultur bietet Räume für die ABER, ohne Wenn!
Heute Abend wird, das ist schon Tradition zur Eröffnung der Tage der jüdischen Kultur, der Spier-Preis verliehen durch den über viele Jahre versdienstvoll wirkenden Förderverein "Neue Synagoge". Den Preis erhalten heuer junge Leute, die sich engagiert mit jüdischer Geschichte auseinandersetzten, nicht zuletzt, weil sie sich unserer Gegenwart generationsübergreifend verpflichtet fühlen.
Ist die Welt noch zu retten? Ich weiß es nicht wirklich, aber mit diesen jungen Leuten ist die Chance zur Chance, dass es noch klappen könnte, größer geworden.
Dies eingedenk und in Vorfreude auf die vielfältigen kulturellen Veranstaltungen in den nächsten Wochen, auf die wir nachher noch näher eingehen können, kann ich anlässlich der Eröffnung trotz allem sagen:
Lassen Sie uns: Mehr Zuversicht wagen!