Die Geschichte der Kunstgewerbe- und Handwerkerschule Magdeburg beschreibt mit ihren Vorgänger- und Nachfolgeinstitutionen wie keine zweite derartige Einrichtung im heutigen Land Sachsen-Anhalt und darüber hinaus die wesentlichen Entwicklungen des kunstgewerblichen Schulwesens in Preußen und Deutschland von seinen Anfängen um 1800 bis in die bald verstärkt einsetzenden Verschiebungen weg von kleingewerblichen zu im weitesten Sinn industriell geprägten Aufgaben gestalterischer Arbeit.
1796 erfolgt die Anerkennung durch die Berliner Akademie und die Umbenennung in "Königlich Magdeburgische Provinzial Kunstschule". Ihre Aufgabe ist es, „den vaterländischen Kunstfleiß zu befördern und auf Manufakturen und Gewerbe den wichtigen Einfluß“ auszuüben, „daß einheimische Künstler mit geschmackvollen Arbeiten jeder Art den Auswärtigen nicht ferner nachstehen.“
Breysig, der heute als »Pionier der Wirklichkeitssimulation« und – mit seiner Utopie eines Autokinesitheaters – als »direkter Vorgänger der Totaltheater-Projekte des 20. Jahrhunderts« gilt, blieb auf längere Sicht der einzige bedeutende Künstler, dessen Name sich mit der Magdeburger Anstalt verband.
Der heutige Schinkel-Vischer-Bau ist der Gründungsbau des Kunstschul-Areals. Er wurde von 1874-76 nach Plänen des Magdeburger Stadtbaurats Aurel Sturmhöfel in den Formen der deutschen Neorenaissance errichtet. Seine heutige Bezeichnung leitet sich von den durch Porträtbüsten im Schaugiebel verewigten Karl Friedrich Schinkel und Peter Vischer d. Ä. her.
Für die nun als Hauptamt installierte Stelle des Direktors fiel die Wahl auf den Bauingenieur Eduard Spieß. Der 1849 in Darmstadt geborene Spieß hatte nach seinem Studium in Zürich für eine Schweizer Eisenbahngesellschaft im Land selbst als auch in den USA gearbeitet. Nach kurzzeitigen Studien der Kunst und Kunstgeschichte in München beschäftigte er sich zunehmend mit kunstgewerblicher Arbeit.
Den Ideen der Reformbewegung verbunden, war Thormählen eine ideale Besetzung für Magdeburg. Selbst offenbar nicht übermäßig künstlerisch ambitioniert, doch ausgestattet mit der Erfahrung des Praktikers und Lehrers, besaß er ein feines Gespür für die Forderungen der Zeit.
»Nur«, so hieß es, »müssen wir an der Forderung festhalten, daß für Bewertung und Anstellung von Lehrkräften nur der Gesichtspunkt des Modernen festgehalten wird, da nur dadurch ein Fortschreiten unseres Kunstgewerbes (...) ermöglicht wird.«
Der aus Liechtenstein stammende Ferdinand Nigg leitete zunächst zwei Fachklassen, die seit in einer 1905 Fachklasse für Buchgewerbe und Textilarbeiten vereinigt wurden. Die Textilabteilung war schon 1904 mit einer Werkstatt für Handweberei und Stickerei ausgerüstet. Er ist »der beste, den wir haben, so groß, so ein fach und ruhig wie keiner in seinen Arbeiten« (H. Muthesius).
Das gemeinsam von Albin Müller, Hans und Fritz von Heider, Paul Bürck, Paul Lang und Minna Lang-Kurz entworfene und ausgestattete Zimmer wird auf der Weltausstellung in St. Louis mit einem »Grand Prix« ausgezeichnet, ebenfalls der von Paul Bernardelli für die Pauluskirche entworfene Kronleuchter.
Das unter Leitung der Lehrer von den Schülern der Anstalt entworfene und realisierte Direktorenzimmer für den geplanten Schulneubau umfasste 122 Positionen und reichte von der Fensterwand über Glasbilder, Kleiderhaken, Heizkörper, Vasen, Sesselbezüge, das Mobiliar, Buchumschläge oder Kataloghüllen bis zu Kassetten aus Papier.
Hermann Muthesius, der Rütschis Einstellung befürwortete, hielt Rütschis Arbeiten für »zu gut, daß sie das Publikum versteht und auch zu ruhig fürs Publikum«, das »dazu erst erzogen werden« müsse.
Das neue Haus und die im folgenden Jahr fertiggestellte Ausstellungshalle erlaubten neben Aktivitäten wie der permanenten Präsentation von Schülerarbeiten endlich auch den seit der Jahrhundertwende angestrengten Ausbau weiterer Werkstätten. Diesen standen, wie später am Bauhaus, ein für die technische Seite verantwortlicher Werkmeister und ein künstlerischer Leiter vor.
Der bis dahin vor allem als Erneuerer der Medaillenkunst bekannte Rudolf Bosselt gehörte zu den ersten Künstlern, die der Großherzog Ernst Ludwig von Hessen nach Darmstadt berief. Er war seit 1903 Leiter der Bildhauerklasse der von Peter Behrens geleiteten Kunstgewerbeschule Düsseldorf. Bosselt gilt als einer der gedanklichen Väter des »dualen Konzepts« des allgemeinen Bauhaus-Studienprogramms.
Hans Wewerka, künstlerisch beeinflusst vor allem durch Ernst Barlach und den Niederländer Joseph Mendes da Costa, gilt als vielversprechender junger Bildhauer und soll später einmal die Leitung der Bildhauerklasse übernehmen. Wie andere seiner Kollegen wird er ein Opfer des Ersten Weltkrieges. Er stirbt 1915 in einem Lazarett in Frankreich.
Die Klasse für Reproduktionsverfahren und Fotografie wird bis nach dem Zweiten Weltkrieg von Johann Graf geleitet und wird bis über die Schließung der Schule 1963 bestehen bleiben, als von Horst Thorau geleiteter Fernstudiengang an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.
Ihr Programm entspricht den Leitsätzen des Werkbundes: Künstlerische Läuterung und Durchdringung aller Stufen der Modeindustrie bis zum Entwurf, deutscher Ursprung aller materiellen und ideellen Bestandteile der Kleidung, Bewahrung des internationalen Charakters der Mode, Einwirkung der Künstler zuallererst auf die einzelnen Bestandteile der Kleidung, beratende Tätigkeit in den Ateliers.
Die Denkschrift Tauts, an der sich dieser Streit entzündete, gipfelte in der Feststellung, dass die Schule mit Gewinn geschlossen werden könne, wenn sie sich nicht den Erfordernissen moderner Gestaltung öffne und ihre Lehre reformiere. Der Streit führte beinahe zur Schließung der Schule und tatsächlich zum Weggang Rudolf Bosselts.
Deffke hatte zu der »Duzclique junger Männer« gehört, die zwischen 1908 und 1912 im Atelier von Peter Behrens gearbeitet hatten. Außer Deffke gehörte dazu auch Walter Gropius, Mies van der Rohe, Edouard Jeanneret (Le Corbusier) und der später ebenfalls in Magdeburg tätige Architekt Peter Großmann.
Damit war die "Grafische Fachschule" nicht nur technisch, sondern auch personell aufs Modernste ausgestattet. Der Grafiker Hermann Eidenbenz war schon 1926 als Lehrer für Schrift nach Magdeburg gekommen. Johann Graf arbeitete seit 1914 an der Schule. Für Kurt Lange (Bucheinband) kam, ebenfalls 1928, einer der großen Meister des Bucheinbands, Heinrich Lüers.
Um sein Schulwerk zu retten, trat Wilhelm Deffke in die NSDAP ein und bewog auch den Großteil der Lehrerschaft dazu. Doch weder der um der Sache Willen vollführte Kniefall des energischen Einzelkämpfers noch der Einsatz ihm nahe stehender Kollegen konnten ihn in sein Amt zurückbringen. Es gab weitere Entlassungen und die Schule wurde zur Städtischen Handwerkerschule.
Aus der Stellungnahme des Magdeburger Oberbürgermeisters Dr. Markmann: »Das Bauhaus Weimar, Stadtrat May-Frankfurt, der sich schließlich in Rußland verlor, u.a.m., waren Dr. Dexel persönlich verbundene Gesinnungsgenossen. Nicht verwunderlich, da Dr. Dexel aus Künstlerkreisen der ›Novembergruppe‹ und der ›Juryfreien‹ kam."
»Daß ich seit dem Anfange 1946 wieder in meiner alten Stellung in Magdeburg war und dort ewig nichts als die ausgebrannten Mauern einer früheren reicheren Zeit vor mir hatte, wissen Sie«, schrieb Deffke am 5. 2. 1949 in einem Brief von seinem seit dem Spätherbst 1947 währenden Krankenlager. »Es fehlt uns nun weiter nichts als die volle Gesundheit und ein neuer Anfang.«
Das Sinnbild für die nach Deffkes Idee unter der künstlerischen Leitung Arno Mengs von verschiedenen Abteilungen der Schule erarbeitete Ausstellung wurde der aus der Asche aufsteigende, sagenhafte Vogel Phönix.
Karl Sütterlin und Horst Thorau setzten die Tradition der Edeldruckverfahren bis in die 1960er Jahre fort und erweiterten das Repertoire, indem sie neben den klassischen Techniken die Livefotografie, die Isohelie und das Fotogramm in ihre Arbeit und die Ausbildung einbezogen.
Aus der Klasse ging eine Gruppe von Gestaltern hervor, die einen wesentlichen Beitrag zur Glasgestaltung in der DDR geleistet hat. Schon 1954 gründeten sie das »Kollektiv Glasgestaltung Magdeburg«, das in veränderter Form und Zusammensetzung bis 2000 in Magdeburg unter einem Dach gearbeitet hat.
Tatsächlich hatte es in den vorangegangenen Jahren vielfach Probleme bei der Vermittlung der Studenten gegeben. Der 1963 verkündete »Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse in der DDR«, bedeutete den weitgehenden Vollzug der Liquidation des kleineren und mittleren privatwirtschaftlichen Gewerbes, eine weitere Verengung der Arbeitsfelder des mittleren gestaltenden Gewerbes.